Die Beschleunigung und dauerhafte Verfügbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse durch digitale Infrastrukturen ist ein Gewinn und zugleich eine Herausforderung für die Forschung. Inwiefern können digitale Infrastrukturen dabei helfen, den Überblick zu wahren?

Wie verhalten sich digitale Infrastrukturen, Wissen und Zeit zueinander?

In den aktuellen Diskussionen um digitale Infrastrukturen in der Forschung spielt die Frage der Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle. Daten sollen dauerhaft gespeichert werden und zugänglich sein. Zugleich werden Infrastrukturen oft als eine Ermöglichung von Beschleunigungen verstanden. Man schafft mit ihnen die Grundlage, um Güter, Daten und Ideen in kürzeren Zeiträumen zu bewegen. Infrastrukturen, so scheint es, verschaffen zum einen Dauer und befördern zum anderen Wandel. Die Frage, wie sie sich konkret zum Wissen und dessen Veränderungen verhalten, lässt sich nicht kurz und eindeutig beantworten, wohl aber entfalten und darstellen. Dies soll im Folgenden vorläufig und unvollständig versucht werden. Wenn digitale Infrastrukturen epistemische Prozesse schneller werden lassen und zugleich deren Ergebnisse verstetigen, dann muss dieses Wissen, wenn es nicht nur gespeicherte Information bleiben soll, immer noch intellektuell durchdrungen werden. Können digitale Infrastrukturen dieses Problem, das sie zum Teil selbst befördern, auch ein Stück weit zu lösen helfen?

Eine Signatur der Moderne?

Wo über Beschleunigung gesprochen wird, ist die Technik meist nicht weit. Höchstgeschwindigkeiten von Fahrzeugen, Produktionsraten und Datenübertragungen sind oftmals Maßstäbe des Entwicklungsniveaus und des Fortschritts, aber auch vielfach Gegenstand eines kulturkritischen Unbehagens. Beschleunigung und Technik gelten dabei in der Regel als Signaturen einer, wie auch immer verstandenen, Moderne. Das geht im Fall der Beschleunigung vielleicht sogar so weit, dass jemand, der über die Beschleunigung in der Vormoderne spricht, in den Verdacht geraten kann, die, wie auch immer verstandene, Vormoderne selbst zu „modernisieren“ und ihr eine naive Fortschritts- und Wachstumsideologie oder ein vielleicht fragwürdiges und ihr fremdes Effizienzdenken unterzuschieben.

Beschleunigung als Wert

Das liegt auch daran, dass „Beschleunigung“ nicht nur eine subjektive und kollektive Erfahrung ist und auch nicht nur eine messbare Beobachtung, sondern mit Wertungen verbunden werden kann. Es geht einem, salopp gesprochen, immer zu langsam oder alles zu schnell. Der Grund dafür ist vermutlich, dass der Mensch nahezu permanent damit beschäftigt ist, seine eigenen Rhythmen mit denen seiner Umwelt abzustimmen, und diese Abstimmung nicht immer gelingt. Dennoch gewöhnt sich der Mensch, so scheint es zumindest, meist schnell, und womöglich immer schneller, an neue Geschwindigkeiten. Beschleunigung und Verlangsamung sind dabei als Wertungen zu Kriterien ebenso in der Politik und in der Wirtschaft geworden wie in der Gestaltung des privaten Lebens. Das ist, geschichts- und kulturwissenschaftlich betrachtet, alles andere als selbstverständlich.

Beschleunigung und Infrastrukturen

Unter allem, was Technik mit Beschleunigung verbindet, sind Infrastrukturen vielleicht am besten geeignet, um ein Bild jenes vermeintlichen oder realen Fortschritts abzugeben, an dessen Ende sich der moderne oder postmoderne Mensch bevorzugt selbst sieht. Die Ideengeschichte einer Beschleunigung namentlich der Moderne ist, wenn man etwa Reinhart Koselleck liest, eng verbunden mit der Geschichte der Infrastrukturen; auch wenn dieser sperrige Ausdruck selbst nicht fällt.

Geschichte der Infrastrukturen

Seit Längerem ist nun die Geschichte genau dieser Infrastrukturen in den Blick geraten, die sonst dem Menschen, der sich an sie und ihre Geschwindigkeiten gewöhnt hat, nur auffallen, wenn sie nicht funktionieren oder fehlen. Sich ausbreitende Verkehrs- und Energienetze, Kommunikationswege und Datenströme über die Post bis zum Satelliten entsprechen dabei dem Selbstverständnis der Gegenwart wahrscheinlich besonders gut, obwohl die Infrastrukturen und die geschichtliche Herkunft der Gegenwart sich in toto der unmittelbaren Wahrnehmung des Menschen entziehen. So kann eine Historiographie der Infrastrukturen leicht zu teleologischer Geschichtsschreibung geraten, weil Infrastrukturen Probleme der Vergangenheit und jeweiligen Gegenwart bewältigen können und oft auf zukünftige Bedürfnisse ausgerichtet werden. Infrastrukturen sind somit oft ein Konglomerat von konkreten Planungen und utopischen Vorstellungen. Die unterstellten Bedürfnisse aber treten vielleicht am Ende gar nicht auf und gerade bei großen Infrastrukturprojekten mit vielen Akteuren tritt Ungeplantes sicherlich oft zutage. In der Geschichte der Infrastrukturen zeigen sich politische Zwecke und Interessen, denen dieser „Unterbau“ dienen soll. Es finden sich widersprechende sozial- und wirtschaftspolitische Absichten, aber auch subversive Praktiken, politische wie technische Überraschungen und alternative, nicht vom Staat organisierte und kontrollierte Infrastrukturen.

Infrastruktur- und Wissensgeschichten

Geschichten der Infrastrukturen lassen sich nun mit Wissensgeschichten in vielfacher Weise verbinden. Auch die Wissensgeschichte kann dabei sehr schnell die genannten Selbst- und Fremdbeschreibungen absorbieren. Es entspricht einem möglichen Selbstbild der Gegenwart, wenn die steigende Komplexität von Infrastrukturen mit einem Zuwachs an Kenntnissen und Fähigkeiten und möglicherweise mit Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Verbindung gebracht wird. Infrastrukturen werden dabei als Bedingungen politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer, kultureller, mitunter epistemischer Teilhabe gesehen, indem sie Räume für Interaktionen und Interventionen schaffen.

Sehr kurze Begriffs- und Metapherngeschichte der Infrastruktur

Sie sind zugleich oftmals symbolisches Kapital einer Gesellschaft, die sie bereitstellt, oder des Individuums, das an sie angeschlossen ist. Der Begriff der Infrastruktur suggeriert zwar meist technische Präzision und Neutralität, scheint aber zugleich metaphorisch auf viele Bereiche. Er umgreift, wie Dirk van Laak rekonstruiert hat, seit einer semantischen Expansion vom Eisenbahnwesen über den Nordatlantikpakt, den Schuman-Plan und die Entwicklungspolitik verschiedene soziale, ökonomische und technische, ebenso militärische wie zivile Aspekte. Wenn die eigenen Infrastrukturen heute zuweilen als „kritisch“ bezeichnet werden, weist dies darauf hin, für wie wichtig Gesellschaften sie halten. Wenn zudem die Gesellschaft in abstracto wissenschaftlich als ein „Netzwerk“ gedacht wird, so legt dies nahe, dass die Selbst- und Fremdbeschreibungen von Gesellschaften sich in bestimmten Hinsichten mit Beschreibungen der Energieversorgung und des Verkehrs überschneiden. Die Gesellschaft spricht dann nicht nur über ihre Infrastrukturen, sondern in gewissem Sinn von sich selbst als Infrastruktur.

Wissen als Wert

Es entspricht dem schon angesprochenen kulturkritischen Blick, wenn in Infrastrukturen vor allem die Möglichkeiten für Machtgefälle, Restriktionen und eine unzulässige Kontrolle der Individuen gesehen werden. Es entspricht diesem Blick unter Umständen aber in Hinsicht auf epistemische Geflechte vielleicht auch, in der zunehmenden Menge verfügbarer Informationen einen Verlust an tieferem Wissen, gründlichem Verständnis und skeptischer Prüfung zu sehen. Ob Infrastrukturen Wissensprozesse beschleunigen oder nicht, hängt dabei davon ab, was unter Wissen verstanden wird. Meint man damit zum Beispiel das Abrufen bestimmter Informationen, die kritisch prüfende Rekonstruktion von Begründungszusammenhängen oder das Erkennen von Zusammenhängen in der Welt überhaupt? Redet man von dem Wissen, das irgendwo steht, oder von dem Wissen, das jemand hat, oder aber von dem Wissen, das noch nirgendwo steht und das noch niemand hat? Das Wissen wird, ähnlich wie die Infrastruktur, in diesen divergenten Sichtweisen oft zu einem Wert. Will man Wissens- und Infrastrukturgeschichten schreiben und verbinden, so sind die eigenen Einstellungen zwar jeweils zu hinterfragen, Wertungen, Absichten, Träume und Ängste bleiben aber selbst ein Teil dieser Geschichten. Auch digitale Infrastrukturen bestehen nicht schlicht, sondern sind das Ergebnis von Interessen und Zielen. In ihrer Geschichte werden einmal sicherlich komplexe Beziehungen von Akteuren und Geräten, von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso sichtbar werden wie die Wechselspiele von Plänen und Kontingenzen.

Stabilität als Bedingung der Bewegung

Wer über Infrastrukturen nachdenkt, kann dazu verleitet sein, seine eigenen alltäglichen Erfahrungen zum metaphorischen Modell einer globalisierten, technisierten Welt und ihrer Geschichte zu erheben. Schon die Unfähigkeit, den Grund für die Verspätung des eigenen Zuges einzusehen, weist jedoch auf die Beschränkungen dieser Erfahrungen hin. Beschleunigung jedenfalls ist eine dieser alltäglichen Erfahrungen. Sogar die Klage über die Verspätung könnte ein Indiz für die Dominanz just dieser Erfahrung sein. Infrastrukturen aber haben selbst eine andere Zeitlichkeit als die Dinge, die sie beschleunigen. Van Laak hat dies auf die griffige Formel gebracht, sie seien jenes Stabile, welches Mobilität und Austausch ermögliche, und sie seien nicht nur Faktoren geschichtlicher Beschleunigung, sondern auch Elemente langer Dauer. Dies schließt nicht aus, dass Infrastrukturen instandgehalten, kontrolliert und repariert, also auch finanziert werden müssen. Ihre Funktionsweise aber ist darauf angelegt, selbst möglichst nahtlos jede Wartung zu überspielen und gewissermaßen unsichtbar und zeitlos zu werden. Sie werden deshalb auch für das Wissen relevant, das, wie Jürgen Osterhammel es nannte, eine „besonders flüchtige Substanz“ ist, deren Gebrauch auf Symbolsysteme und Kommunikation angewiesen bleibt. Verschaffen Infrastrukturen Wissen also vielleicht überhaupt erst Dauer?

Rhythmen des Wissens

Für die Wissenschaft haben beide Aspekte, Beschleunigung wie Persistenz, ihren Reiz. Sie ist meist auf Veröffentlichungen ausgerichtet. Diese zu beschleunigen, scheint prima facie vorteilhaft für sie zu sein. Es scheint auch notwendig zu sein, wenn über Infrastrukturen eine wissenschaftliche und interessierte Öffentlichkeit angesprochen wird oder entsteht und dabei die frühere oder zumindest rechtzeitige Publikation sowie deren Reichweite zu Bewertungskriterien werden. Diese Bedingungen und Auffassungen sind nicht voraussetzungslos. Das Verhältnis dieser unter anderem zeitlichen Aspekte des Wissens zu anderen Kriterien wie Gründlichkeit, Korrektheit und Vollständigkeit, Evidenz oder Plausibilität sind historischen und kulturellen Wandlungen unterworfen und die Zeit, die Erkenntnisse brauchen, korrespondiert nicht notwendigerweise mit dem Zyklus der Publikationsorgane. Jener vielgestaltige historische Prozess, den wir „Digitalisierung“ nennen, hat dies verändert und vielleicht sogar teilweise zu einem Verlust des Rhythmus geführt, wenn prinzipiell alles jederzeit publiziert und gelesen werden kann.

Individuum und Infrastruktur

Gleichzeitig sollten die wissenschaftlichen Ergebnisse in der Regel aber nicht nur schnell, sondern auch dauerhaft und deshalb dauerhaft verfügbar sein. Buchhandel, Bibliotheken, Archive und Museen sind aufwendig betriebene, komplexe Infrastrukturen, die dazu dienen, einen Kreislauf des Wissens zu ermöglichen. Sie schützen zwar nicht vor der menschlichen Vergesslichkeit, Vergessenes aber kann prinzipiell nachgeschlagen werden. Die Vergesslichkeit erinnert dabei jedoch daran, dass, wie Hans Blumenberg es beschrieb, das wissenschaftliche und das individuelle Subjekt auseinanderfallen.

Kunst des Vergessens und Erinnerns

Um zu funktionieren, müssen „Gedächtnisinstitutionen“ eine ars oblivionalis praktizieren. Sie wählen und sondern aus. Sie könnten, wenn Raum und Geld es zuließen, sonst immer weiter wachsen. Das gilt auch für Datenrepositorien als einem Teil jener Infrastrukturen, die auf die Digitalisierung der Wissenschaft und des Wissens reagieren. Zusammen mit der Beschleunigung des Wissens oder zumindest der Publikationen mit entsprechenden Geltungsansprüchen wird für die gegenwärtig Forschenden, die sich noch nicht ganz an diese Geschwindigkeiten gewöhnt haben, der Hiatus zwischen der Wissenschaft als einem abstraktem Subjekt und den Forschenden als menschlich beschränkten Subjekten spürbar. Wenn immer schneller produziert wird und immer mehr Produkte konserviert werden, dann wird diese Kluft wahrscheinlich immer größer werden. Das Gefühl ist nicht neu. Beim Betreten einer Bibliothek ist einem rasch klar, dass man niemals all dies wirklich selbst wissen kann. Bei Daten ist dieser Eindruck vielleicht nicht so tief, weil man kein Rechenzentrum mit Super- und Quantencomputern betreten muss, um sie abzurufen. Aber das befördert vielleicht nur zu vergessen, dass man sehr viel vergisst oder nie zur Kenntnis nimmt. Posthumanismus und künstliche Intelligenz mögen Versuche sein, diese Kluft auf technischem Wege zu überbrücken und entweder die menschliche Vergesslichkeit zu reduzieren oder digitale Mittel zu nutzen, um das Übermaß an Daten auf ein menschliches Maß zu komprimieren. Wie also mit der Menge gesammelten Wissens umgehen?

Komplexität im Kleinen

Verweise auf wissenschaftliche Desiderate bringen jene Kluft zum Vorschein zwischen dem, was geleistet werden konnte, und dem, von dem man weiß, dass es geleistet werden müsste. Dies geschieht auch auf Arbeitsfeldern, die einem von außen betrachtet recht klein erscheinen können. So wurde, um ein Beispiel zu nennen, die Überlieferungsgeschichte der logischen Schriften des Aristoteles, die für die wissenschaftliche Ausbildung im Mittelmeerraum vom 9. bis zum 17. Jahrhundert bedeutsam waren, von Diether Reinsch für derart komplex gehalten, dass sie schwerlich in einem Menschenleben zu klären sei. Die Bewältigung einer solchen Aufgabe fordert digitale Infrastrukturen geradezu heraus. Sie können helfen, umfangreiche und verstreute Überlieferungen „virtuell“ zusammenzuführen und Forschungsergebnisse, die keine vollumfänglichen Ergebnisse sind, aufzubewahren.

Menschen und Maschinen

Digitale Nachhaltigkeit, die mehr meint als nur die permanente Sicherung von Daten, ist nun zu einem Kernthema und Leitbegriff heutiger Wissenschaftspolitik geworden. Wissen und seine Bewegungen sind in gewissem Sinn an Infrastrukturen „gekoppelt“. Im Falle von digitalen Infrastrukturen in der Wissenschaft kann sich dabei wiederholen, was von Infrastrukturen im Allgemeinen gesagt wurde. Menschen und Maschinen sind in diesen Infrastrukturen verbunden; oftmals ungewollt und manchmal dysfunktional. Sie stimmen ihre Rhythmen aufeinander ab mit dem Resultat, dass Menschen manchmal von anderen Menschen erwarten, sie seien Maschinen, und ein anderes Mal von Maschinen erwarten, sie sollten Menschen sein. Wenn es nun aber stimmen sollte, dass Wissen in immer kürzeren Zeiträumen veröffentlicht und zudem dauerhaft erhalten bleibt, kann dies das Problem verschärfen, dass Forscherinnen und Forscher mehr Material bewältigen müssen als sie können, wirkungsvoller zu vergessen oder zu ignorieren oder aber neben Vorgängerinnen und Vorgängern auch digitalen Werkzeugen und Diensten bei der Auswertung zu vertrauen, die sie theoretisch und methodisch vielleicht nicht kontrollieren können.

Methodische Verknüpfungen

Was sich schon beim Druck abzeichnete, gilt unter digitalen Bedingungen gesteigert. Denken und Lebensdauer des Einzelnen und der Einzelnen halten nicht Schritt mit den kollektiven Leistungen. Dadurch kommen Infrastrukturen zunehmend auch dort zum Einsatz, wo die von ihnen erzeugte Beschleunigung und Dauerhaftigkeit bewältigt werden müssen. Beim Nachdenken über diese Verhältnisse besteht an vielen Stellen die Gefahr vorschneller Verallgemeinerungen. Man könnte darauf bestehen, dass die menschliche Reflexion Zeit und Abstand benötige und Schnelligkeit hier zumindest nicht der einzige und wahrscheinlich nicht der wichtigste Maßstab sei. Man könnte ferner darauf insistieren, dass gerade die Beschleunigung den Bedarf an Erinnerung, Sättigung und Tiefe erhöhe, dem nicht allein mit der digitalen Speicherung von allem zu genügen sei. Man könnte aber auch darauf hinweisen, dass die Verluste durch das Vergessen, so menschlich es ist, eben doch Verluste seien, die vermieden werden sollten. Oftmals scheinen daher methodische Komplexe dort angebracht, wo große Datenmengen berücksichtigt werden und kritische Reflexionen nicht ausbleiben sollen, wo Vollständigkeit und Korrektheit angestrebt werden und überprüfbar bleiben sollen. Wenn die Geisteswissenschaften kulturelle Weitsicht und historische Tiefenschärfe erfordern, dann sollte die digitale Nachhaltigkeit auch fragmentarischer Ergebnisse jedenfalls kein Nachteil sein.

Textkritik mit anderen Mitteln

Digitale Unterstützung ist dann in vielen Fällen naheliegend. So können, um auf die Überlieferungsgeschichte der logischen Schriften des Aristoteles zurückzukommen, Layoutanalysen die Transkription bei digitalisierten Handschriften unterstützen. Die Kodikologin oder der Kodikologe muss in diesem Fall nicht die mathematischen und informatischen Details dieser Analysen kennen und verstehen. Auch die digitalen Auswertungen dieser Transkriptionen oder anderer Annotationen zum Text können gerade bei großen Mengen an überlieferten Handschriften nützlich sein, um textkritische und wissenshistorische Hypothesen zu entwickeln und zu überprüfen. Sie können zum Beispiel Zusammenhänge zwischen verschiedenen Handschriften aufzuspüren helfen, die bisher nicht gesehen wurden. Sie können ferner Indizien für den praktischen Gebrauch der Manuskripte und ihren gesellschaftlichen und kulturellen Rahmen, etwa in philosophischen Schulen, liefern. Die Sache ist demnach nicht damit abzutun, Mensch und Maschine gegeneinander auszuspielen. Automatische Prozesse können, auch wenn sie selbst auf menschlicher Programmierung beruhen und menschlicher Kritik bedürfen, einzelne Schritte in einem Forschungsvorgang beschleunigen und dem Menschen damit Zeit verschaffen für die gedankliche Durchdringung seines Gegenstandes.

Philipp Hegel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sonderforschungsbereichs Episteme in Bewegung, des Fachgebiets „Germanistik – Computerphilologie und Mediävistik“ der Technischen Universität Darmstadt sowie der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur Text+.

Michael Krewet ist klassischer Philologie und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sonderforschungsbereichs Episteme in Bewegung.

Andrea Rapp ist Professorin für Germanistik – Computerphilologie und Mediävistikam Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt.

Dieser Beitrag erscheint in der Serie Epistemische Beschleunigung.