Paratextualisierung als Wissenspraxis. Zu textgliedernden Verfahren bei Sueton, Valerius Maximus und Plinius dem Älteren. Ein Artikel von Matthias Grandl
Dem Phänomen „Paratexte“ hat man sich sowohl in der Klassischen Philologie als auch in den anderen Literaturwissenschaften bisher vor allem von zwei Seiten genährt: zunächst editorisch, die Text- und Überlieferungsgeschichte betrachtend, dann interpretatorisch, nach den semantischen und hermeneutischen Implikationen paratextueller Elemente fragend. In diesem Beitrag werden beide Bereiche um einen epistemologischen Ansatz erweitert, der zum einen die epistemische Dimension von Paratexten auslotet und zum anderen die Paratextualisierung selbst als Wissenspraxis begreift.
Als zentrales Anschauungsmaterial dient neben Suetons Rubrikensystem in seinen Vitae Caesarum und Valerius Maximus’ exempla-Sammlung Facta et dicta memorabilia die Plinius’sche Naturalis Historia mit ihren theoretischen und epistemologischen Reflexen zur Funktion von Paratexten, wie sie gerade im Vorwort für den Gebrauch des kolossalen Inhaltsverzeichnisses zu den folgenden 36 Büchern zu lesen sind.
Bei genauerer Betrachtung des Verhältnisses der 36 Bücher zu ihrem Inhaltverzeichnis wird allerdings klar, dass der vermeintliche Wissensspeicher en miniature die Plinius’sche Enzyklopädie gerade nicht in all ihrem Facettenreichtum abbilden kann und scheinbar inkommensurable Komplexe wie die diskursiv-narrative Entfaltung von Wundern, die den eigentlichen Kern der Naturalis Historia bilden, schlichtweg aussparen muss. Allein diese Komplementarität von Faktentableau und irreduziblem Fließtext zeigt, dass man sich dem Plinius’schen Konzept von Wissen nur vom Wunder her nähern kann.
Der Aufsatz erschien im Logbuch Wissensgeschichte und ist im Open Access verfügbar.
Quelle:
Matthias Grandl: Paratextualisierung als Wissenspraxis. Zu textgliedernden Verfahren bei Sueton, Valerius Maximus und Plinius dem Älteren. In: Logbuch Wissensgeschichte, hg. v. Mira Becker-Sawatzky, Şirin Dadaş, Anne Eusterschulte, Kristiane Hasselmann, Andrew James Johnston, Falk Quenstedt, Claudia Reufer, Hanna Zoe Trauer, Christian Vogel, Katrin Wächter und Helge Wendt. Wiesbaden: Harrassowitz 2024 (Episteme in Bewegung 36), S. 344–365.
https://doi.org/10.13173/9783447121804.