Kein natürlich vorkommender Stoff ist härter als der Diamant. Seit mehreren tausend Jahren bietet der kostbare Edelstein aufgrund dieser Eigenschaft Anlass zum Staunen. Doch welche Narrative ranken sich um die Widerspenstigkeit des Diamanten… und was hat das alles mit Bocksblut zu tun?

„Diamonds are forever“ singt Shirley Bassey im Titelsong zum gleichnamigen Film der James-Bond-Reihe von 1971 und hebt damit auf die Eigenschaft des Diamanten ab, besonders widerstandsfähig zu sein. Unvergänglichkeit und Beständigkeit sind Attribute, die dem Edelstein genuin zu eigen sind, denn der Diamant galt lange Zeit als unzerstörbar. Erst der im 13.–15. Jahrhundert entwickelte Facettenschliff ermöglichte, das Material zu bearbeiten und in Form zu bringen. Vgl. Alois Haas, Ludwig Hödl und Horst Schneider: Faszination Diamant, in: Iubilet cum Bonna Rhenus. Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Bonner Kreises, hg. v. Jens Peter Clausen, Berlin 2004, S. 201–214, hier S. 205.Bis dahin tauchte der Diamant zwar auch in seiner typischen oktaedrischen Form auf, konnte jedoch aufgrund seiner Härte nicht in dem Maße bearbeitet, geschliffen und poliert werden, wie es bei anderen Edelsteinen, etwa Rubinen oder Saphiren, der Fall war. Vgl. Horst Schneider: Diamanten im Mittelalter, in: Das Mittelalter 21 (2016), S. 332–349, hier S. 348.

Im Folgenden soll es genau um jene Härte des Diamanten gehen, die von der Antike bis ins Mittelalter und darüber hinaus Anlass für die verschiedensten Erklärungsversuche, Theorien und Narrative geboten hat. Der Diamant stellt ein Material dar, um das sich immer wieder neues Wissen gebildet, das gleichzeitig aber stetig auch neue Verwunderung hervorgerufen hat. Mit der Eigenschaft der Härte des Diamanten wurde erklärt und argumentiert oder versucht, mit ihr zu überzeugen. Diese natürlich gegebenen Eigenschaften und das darüber verhandelte Wissen machen den Diamanten zu einem epistemischen Material. Die besondere materielle Konstitution des seltenen Edelsteins regt so einerseits zu Staunen und Verwunderung, andererseits auch zu bestimmten Erzählungen an. Erzählbar werden damit beispielsweise Unbesieg- und Unbezwingbarkeit oder eine besondere Auszeichnung, etwa eines Helden.

Es wird damit also nicht nur vom Diamanten erzählt, sondern gewissermaßen auch mit ihm.

Diesen Erzählweisen möchte ich nachgehen und untersuchen, wie die Materialkonstitutionen und das mit ihnen verbundene Wissen jeweils funktionalisiert wurden.

Der Name ist Programm

Die Härte des Diamanten ist schon durch seinen Namen verbürgt. Der in der Antike insbesondere im indischen Raum vorkommende Stein wird vermutlich erst durch die Eroberungszüge Alexanders des Großen (ca. 4. Jh. v. Chr.) und die damit entstehenden Handelsbeziehungen im eurasischen Raum bekannt. Vgl. ebd., S. 334.Für die Bezeichnung des Diamanten wurde allerdings nicht der Name ‚vajra‘ aus dem Sanskrit übernommen, sondern der bestehende altgriechische Begriff adamas (ἀδάμας) verwendet. Vgl. ebd.Das griechische Wort bedeutet so viel wie ‚unbezwingbar‘. Vgl. dazu ausführlich Haas, Hödl und Schneider: Faszination Diamant, S. 201.In diesem Sinne taucht der Begriff auch in Hesiods Theogonie (ca. 700 v. Chr.) auf. Vgl. dazu ebd., S. 202.In dem Werk, das die Entstehung der Götter der griechischen Mythologie schildert, lässt Gaia, die personifizierte Erde, aus ihrem Inneren ein Material entstehen, das adamas genannt wird. Damit ist hier noch nicht der Edelstein gemeint, sondern ein unbestimmter Stoff. Gaia selbst formt daraus eine Sichel, die ihrem Sohn Kronos als Waffe dient, um seinen Vater Uranos zu kastrieren. Vgl. Hesiod: Theogonie, übers. und hg. v. Otto Schönberger, Stuttgart 1999, V. 155–185.

Die Härte des Diamanten wurde durch die Bezeichnung als ‚adamas‘ zu seinem Namen. Umgekehrt scheint mit dem Aufkommen des Diamanten im westlichen Raum endlich das Material vorzuliegen, das genau jene Eigenschaften aufwies, die zuvor nur dem fiktiven Material zu eigen waren. Der Name ‚adamas‘ hatte also endlich eine passende materielle Entsprechung gefunden.

Heute ist die Härte des Diamanten messbar und erreicht mit der Stärke 10 die höchste Stufe auf der Mohsschen Härteskala. Noch immer gilt er als der härteste natürlich vorkommende Stoff. Vgl. Haas, Hödl und Schneider: Faszination Diamant, S. 205. Die Härteskala geht auf den Mineralogen Friedrich Mohs zurück (1773–1839). 

Härte als Anlass zum Staunen und die Bocksblutlegende

Sowohl seine Härte als auch die damit einhergehende Unmöglichkeit, den Diamanten zu bearbeiten, bieten von Beginn an Anlass, sich einerseits intensiv mit dieser Materialeigenschaft auseinanderzusetzen und nach Erklärungen zu suchen und andererseits auch Narrative um dessen Bearbeitbarkeit zu entwickeln.

In der Naturalis historia (ca. 1. Jh. n. Chr.) von Plinius dem Älteren, einer der am weitesten verbreiteten lateinischen Enzyklopädien in Spätantike und Mittelalter, wird das zeitgenössische Wissen über den Diamanten ausführlich kompiliert. Plinius beschreibt im 37. Buch Herkunft, Größe, Eigenschaften und Funktionen des Diamanten. Gerade die Form wird von Plinius besonders hervorgehoben:

Der indische, der nicht im Gold entsteht und eine gewisse Verwandtschaft mit dem Bergkristall hat, weil er sich ja sowohl in der durchscheinenden Farbe als auch durch die Glätte der sechseckigen Seiten nicht [von ihm] unterscheidet; er ist, worüber wir uns noch mehr wundern müssen, an den beiden entgegengesetzten Seiten kegelförmig zugespitzt, als ob zwei Kegel an ihren Grundflächen miteinander verbunden wären; […] C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch-deutsch. Buch 37. Steine: Edelsteine, Gemmen, Bernstein, hg. u. übers. v. Roderich König i. Zusammenarbeit m. Joachim Hopp, Düsseldorf 2007, hier 37, 55–61 [Indici non in auro nascentis et quadam crystalli cognatione, siquidem et colore tralucido non differt et laterum sexangulo levore, turbinati in mucronem e duabus contrariis partibus, quo magis miremur, ut si duo turbines latissimis partibus iungantur, magnitudine vero etiam abellani nuclei], Hervorhebungen d. Verf.

Während der Diamant aufgrund seiner Klarheit und der glatten Oberfläche einige Ähnlichkeit mit dem Bergkristall aufweist, bietet die natürliche oktaedrische Form, die nach oben und unten spitz zusammenläuft, Anlass zur Verwunderung. Die Bewunderung der Form scheint hier insbesondere daraus zu resultieren, dass sich der Diamant in keiner Weise bearbeiten lässt. Was hier so artifiziell aussieht, ist also tatsächlich natürlich. 

Bei aller Ähnlichkeit mit anderen Edelsteinen, wie etwa dem Bergkristall, erkenne man den Diamanten, wie Plinius formuliert, auf dem Amboss. Denn versuche man, den Diamanten dort zu zerteilen, zerspringe nicht der Edelstein, sondern der Amboss in seine Einzelteile. Vgl. Plin. nat. 37, 57.

Eine Möglichkeit, der Unverfügbarkeit des Diamanten beizukommen und ihn zu bearbeiten, gäbe es laut Plinius doch: Wird der Stein in frischem und warmem Bocksblut eingeweicht, könne er zerschlagen werden.

Plinius ergänzt hier, dass es auch dann nur mit wirklich vorzüglichem Werkzeug und noch dazu viel Mühe gelingen könne. Vgl. Plin. nat. 37, 59. Die Frage, weshalb ein so edles Material wie der Diamant ausgerechnet mit warmem Bocksblut spaltbar ist, stellt sich Plinius selbst, und er hat sogleich die passende Antwort parat: Die Erfindung stamme von den Göttern. Vgl. Plin. nat. 37, 60.Wenn es aber tatsächlich gelänge, einen Diamanten mithilfe des Bocksbluts zu spalten, dann zerspringe er in viele kleine Einzelteile. Diese Splitter wiederum werden anschließend von den Steinschneidern verwendet, um andere Substanzen zu bearbeiten. Vgl. Plin. nat. 37, 60.

Das von Plinius versammelte Wissen um den Diamantstein und seine Haupteigenschaft, die Härte, wird in verschiedenen Texttraditionen aufgenommen und weiterentwickelt. So beispielsweise auch im 32. und 42. Kapitel des Physiologus, einem frühchristlichen naturkundlichen Text, der verschiedene Elemente der Natur allegorisch auf das christliche Heilsgeschehen hin ausdeutet. Das Verfahren der Ausdeutung funktioniert hier so, dass die verschiedenen überlieferten Eigenschaften des Diamanten, allen voran seine Unbezwingbarkeit und Härte, auf das Handeln biblischer Figuren oder Christus selbst bezogen werden. Mit direktem Bezug auf 1 Kor 2,15 argumentiert der Physiologus, dass Christus – genau wie der Diamant – von niemandem gerichtet werde, selbst aber über alle anderen richte. Vgl. Physiologus, übers. u. hg. v. Otto Schönberger, Stuttgart 2001, Kap. 32. Ein weiteres Beispiel bezieht sich auf Hiob: So wie der Diamant unbezwingbar sei, habe auch Hiob sich nicht vom Bösen bezwingen lassen. Vgl. ebd., Kap. 32. 

Auch Augustinus (354–430 n. Chr.) beschäftigt sich mit dem Diamanten und nutzt dessen Eigenschaft der Härte und die Erzählung der Erweichbarkeit durch das Bocksblut, um den Glauben an göttliche Wunder zu illustrieren: 

Viele Leute bei uns, zumal Goldschmiede und Gemmenschneider, besitzen den Diamantstein. Das ist ein Stein, dem weder Eisen noch Feuer noch sonst irgendeine Gewalt etwas anhaben kann, wie man versichert, außer Bocksblut. Doch wie ist es? Wundern sich die, welche ihn besitzen und kennen, ebenso wie die, welchen man seine Macht zum ersten Mal zeigt? Gewiß nicht. Denen sie aber nicht gezeigt wird, die glauben vielleicht gar nicht daran, oder wenn sie es glauben, staunen sie über das Unbekannte. Glückt es ihnen dann, es kennenzulernen, staunen sie zunächst noch über das Ungewohnte, doch haben sie sich erst daran gewöhnt, schwindet allmählich der Anreiz zum Staunen. Aurelius Augustinus: Vom Gottesstaat (De civitate Dei), Vollständige Ausgabe in einem Band, übertrg. v. Wilhelm Thimme, eingel. u. komm. v. Carl Andresen, hier XXI, 4. 

Augustinus hebt hier darauf ab, mithilfe eines Beispiels aus der Natur den Glauben an (göttliche) Wunder zu erklären. Dabei verwendet er das von Plinius überlieferte Wissen nicht nur dafür, den Glauben an Wunder zu rechtfertigen, sondern zeigt auch im Hinblick auf die Konstruktion des Wunderglaubens, dass sich Staunen und Wundern über gewisse Naturvorgänge allmählich abnutzen können. Vgl. dazu Friedrich Ohly: Diamant und Bocksblut. Zur Traditions- und Auslegungsgeschichte eines Naturvorgangs von der Antike bis in die Moderne, Berlin 1976, hier S. 11f.Augustinus greift hier folglich auf die überlieferten Eigenschaften des Diamantsteins und die mit ihm verbunden Praktiken und Narrative zurück, um damit zu argumentieren und zu überzeugen.

Der Diamant in der Literatur des Mittelalters

Der Diamant und das in den antiken Texten zusammengetragene und entfaltete Wissen um ihn ziehen auch in die Erzählliteratur des Mittelalters ein. Obwohl erzählte Materialien, wie Kleidungsstücke, Bauwerke, Waffen, Ringe und andere Schmuckstücke häufig mit Edelsteinen besetzt sind, taucht der Diamant in diesen Zusammenhängen verhältnismäßig selten auf. Häufiger lassen sich hier Karfunkel, Rubine oder Saphire antreffen. Vgl. Schneider: Diamanten im Mittelalter, S. 348f. Das könnte damit zusammenhängen, dass der Diamant in der außerliterarischen Welt, aufgrund der zu dieser Zeit noch fehlenden technischen Bearbeitungspraktiken, noch nicht als Schmuckstein wertgeschätzt werden konnte. Vgl. ebd., S. 348. 

Mit 21 Belegstellen ist der Jüngere Titurel der Text, in dem der adamas am häufigsten vorkommt. Auf ihn folgen mit 16 Belegstellen der Göttweiger Trojanerkrieg sowie der Parzival Wolframs von Eschenbach mit insgesamt 9 Erwähnungen des Diamanten. Diese Ergebnisse resultieren aus einer Recherche mit der Mittelhochdeutschen Begriffsdatenbank (letzter Zugriff am 12.03.2024).Der Diamant tritt in den Texten auf verschiedene Weise zutage. Einerseits lässt sich eine Verwendung des Edelsteins im übertragenen und vergleichenden Sinn feststellen: So wird etwa das Herz bzw. der Charakter des Helden Erec aus dem gleichnamigen Artusroman Hartmanns von Aue (ca. 12. Jh.) als stärker als der Diamant beschrieben. Vgl. Hartmann v. Aue: Erec, hg., übers. u. komm. v. Volker Mertens, V. 8427: In Hartmanns von Aue Erec findet sich die erste Belegstelle für die Erweichung eines Diamanten mit Bocksblut in der deutschsprachigen Literatur. Vgl. dazu Ohly: Diamant und Bocksblut, hier S. 51.In dieser Weise wird der Vergleich auch für besondere Rüstungsteile verwendet. Die Rüstung, die Gawein in der Crône Heinrichs von dem Türlin von der Burgherrin Siamerag von Lembils erhält, wird ebenfalls als hart wie Diamant erzählt. Heinrich von dem Türlin: Diu Crône, hg. v. Gudrun Felder, Berlin/Boston 2012, vgl. hier V. 15249.An vielen weiteren Stellen wird ebenfalls metaphorisch auf den Diamanten und seine Eigenschaften Bezug genommen.

Andererseits wird der Diamant als Material in einigen Texten auch aufwändig erzählt und tritt als Teil der Handlung auf.

Im Lanzelet Ulrichs von Zatzikhoven, einem weiteren Artusroman, besteht beispielsweise die Pforte der Burg im Reich der Meerfee aus einem einzelnen großen Diamanten. Vgl. Ulrich von Zatzikhoven: Lanzelet, hg. v. Florian Kragl, Berlin 2013, hier V. 220.Der Apollonius von Tyrland, eine deutschsprachige Bearbeitung eines antiken Liebes- und Abenteuerromans, erzählt von einer großen, aus Diamant bestehenden achteckigen Wundersäule, die ein Herrschaftsinsignium darstellt und mit verschiedenen Goldornamenten und anderen nicht näher bestimmten Edelsteinen besetzt ist.

Es was ain liechter adamas. / Di sewl hette acht ecken. / Auff der sewl sach man stecken / Acht knöpfe herleich, / Mit golde und mit gestaine reich. / Acht stapfen liecht gevar / Giengen zu der sewle dar, / Di waren hoch und prait.

Es war ein reiner Diamant. Die Säule hatte acht Ecken. Auf der Säule sah man acht goldene und mit Steinen reich verzierte Knöpfe. Acht leuchtende Stufen führten hinauf zur Säule, die hoch und breit waren. Heinrich von Neustadt: Apollonius von Tyrland, nach der Gothaer Handschrift, hg. v. Samuel Singer, Berlin 1909, Nachdruck Dublin/Zürich 1967, hier V. 11999 –12006.

Die Textstelle nimmt die natürliche oktaedrische Form des Diamanten auf und vergrößert sie buchstäblich in ihrer Dimension. Die achteckige Form bezieht sich dabei nicht nur auf das Gesteinsmaterial selbst, sondern wird auch auf die weiteren Elemente der Säule, auf Ornamente und Stufen ausgeweitet. Die oben und unten kegelförmig zulaufende Form des Diamanten erinnert an Plinius’ Betonung der Formeigenschaften und taucht auch in der im 14. Jahrhundert entstandenen deutschsprachigen Fassung der Reisebeschreibung ins Heilige Land von Jean de Mandeville auf; er beschreibt die Form des Diamanten als von natur all ecket und scharpf, ön daz man sie wùrcket. (von Natur aus ganz eckig und scharf, ohne dass man sie bearbeitet). Sir John Mandevilles Reisebeschreibung, in deutscher Übers. v. Michel Velser, hg. v. Eric John Morrall, Berlin 1974, hier 101,28.

Auch in Illustrationen mancher Handschriften wird der Diamant schon an seiner besonderen Form erkennbar (siehe Abb. 2). Die Betonung der achteckigen und spitzen Form, die ohne Zutun des Menschen entstehe, deutet darauf hin, dass offenbar gerade diese Eigenschaften des Diamanten Verwunderung provoziert haben.

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Abb. 2: Bestiaire Divin de Guillaume le Clerc, Bibliothèque Nationale de France, fr. 14964, folio 167v: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b55013438c/f344.item.zoom

Während also schon die natürliche Form des Diamanten zu Staunen und Bewunderung anregt, wird in den Erzählwelten der höfischen Romane des Mittelalters möglich, was faktisch noch nicht realisierbar ist: eine präzise Bearbeitung des Diamantsteins. Die Texte setzen diese herbeigesehnten Praktiken insofern um, als nicht nur die Größe des Diamanten, der sonst eher in einer haselnussgroßen Form vorkommt, ausgeweitet wird, sondern das eigentlich unbezwingbare Material in geformter Gestalt auftritt. Vgl. Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, übers. v. Lenelotte Möller, Wiesbaden 2008, hier Buch XII,2: „Der indische Diamant ist ein kleiner schmuckloser Stein, hat eine rostige Farbe und den Glanz des Kristalls. Niemals aber ist einer entdeckt worden, der größer gewesen wäre als der Kern einer Haselnuss.“

Dass der Diamant innerhalb der erzählten Welten Formen annehmen kann, die ihm nicht genuin zu eigen sind, heißt jedoch nicht immer, dass das Material beliebig bearbeitet werden kann. Nach wie vor wird auch in den Erzählungen seine Widerständigkeit und Härte betont. Oftmals nimmt der Diamant auch lediglich eine andere, teilweise überdimensionierte Ausgangsform an, die seiner natürlichen nicht entspricht.

Die mit ihm verbundenen Eigenschaften von Härte und Unbezwingbarkeit machen den Diamanten nicht nur als Baumaterial von Pforten oder Säulen attraktiv, sondern auch für funktionale und in der Handlung bewegliche Gegenstände, wie etwa Waffen und Rüstungsteile. In diesem Zusammenhang kann der Diamant nicht nur als metaphorische Bezugsgröße auftreten, wie etwa anhand der Rüstung aus der Crône deutlich wurde, die aus einem Material besteht, das so hart wie ein Diamant ist. Der Diamant kann auch zum Bestandteil dieser Dinge werden. 

Als Material von Waffen und Rüstungen eignet sich der Diamant, weil ihm angesichts seines Härtegrades kein anderes Material etwas anhaben kann. Dass die Haupteigenschaft des Materials diese Verwendungsweise bestimmt, ist offensichtlich. Zugleich wird damit auch ein Bezug zu antiken Texten, wie etwa der bereits erwähnten Theogonie von Hesiod aufgerufen: dort wird mit dem Wort adamas ebenfalls Rüstungs- und Waffenmaterial bezeichnet, allerdings war an dieser Stelle der Diamant noch nicht bekannt, und daher lediglich ein fiktives unbezwingbares Material gemeint. 

Bocksblut 01 – Diamant 00: Bearbeitungspraktiken im Parzival

Das bekannteste und eindrücklichste Beispiel für einen Diamanten als Bestandteil einer ritterlichen Ausrüstung bietet Wolframs von Eschenbach Parzival. In der Vorgeschichte um Parzivals Vater Gahmuret gelangt dieser über Umwege an einen Helm, der aus einem einzelnen großen Diamanten besteht. Vgl. Wolfram von Eschenbach: Parzival, hg. v. Wolfgang Spiewok, Stuttgart 1981, hier 53,1–6.Als Bestandteil der Rüstung werden sowohl der Diamant als Ausgangsmaterial als auch das mit ihm verbundene Wissen in verschiedener Weise funktionalisiert. Neben der überdimensionalen Größe des Diamanten und der Tatsache, dass er überhaupt zu einem Helm gefertigt werden kann, entfaltet der Text auch das Zusammenfinden von Diamanthelm und Gahmuret als von besonderer Kontingenz geprägtes grôz wunder (vgl. Parzival, 58, 14). Denn das Schiff, auf dem sich der Diamanthelm befindet, der Gahmuret im Vorfeld zugesprochen, aber noch nicht übergeben worden war, kommt ihm zufällig auf seiner Flucht nach Sevilla entgegen.

In diesen Besitzerwechsel scheint sich die materielle Eigenschaft der ‚Widerspenstigkeit‘ des Diamanten semiotisch zu übertragen, denn der Helm wird nicht in einem geplanten rituellen Akt überreicht, sondern findet gewissermaßen ungesteuert den Weg zu Gahmuret.

Der Diamanthelm schützt den Ritter in verschiedenen Kampfeshandlungen. Vgl. für eine ausführliche Analyse im Hinblick auf Fragen der Materialität Sebastian Winkelsträter: Traumschwert – Wunderhelm – Löwenschild. Ding und Figur im ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach, Tübingen 2022Keine Waffe kann ihm etwas anhaben. Dass ihn der Diamanthelm unverwundbar macht, scheinen auch die anderen Figuren zu wissen. Denn als ein Knappe am Hof von Gahmurets Frau Herzeloyde von seinem Tod berichtet, herrscht Verwunderung darüber, weshalb der Ritter trotz des zuverlässigen Schutzes seiner Rüstung sterben konnte (vgl. Parzival 105, 8–10). 

Der Knappe berichtet, dass Gahmuret während der Schlacht vor Bagdad den Helm aufgrund der Hitze absetzen musste und dass diese unbedachte Tat zur folgenden List eines gegnerischen Ritters geführt habe: 

ein ritter hete bockes bluot
genomen in ein langez glas:
daz sluog er ûf den adamas:
dô wart er weicher danne ein swamp.

Ein Ritter hatte Bocksblut in ein langes Glas gefüllt. Das schlug er auf den Diamanten, wodurch dieser weicher als ein Schwamm wurde.

Während Gahmuret den Helm unbeaufsichtigt lässt, begießt der fremde Ritter ihn mit Bocksblut, um diesen um seine Haupteigenschaft zu bringen. Gahmuret setzt den Helm danach ungeachtet der Manipulation wieder auf. Die Konsequenzen zeigen sich erst, als der Helm unter dem Schlag des Gegners zerbirst. Diese ‚Lücke‘ im Konzept und der Unbezwingbarkeit des Diamanten und das Wissen der gegnerischen Seite um die Praxis, einen Diamanten mit Bocksblut weich machen zu können, wird Gahmuret folglich zum Verhängnis. Ohly: Diamant und Bocksblut, S. 59. Wie in der Reaktion der Hofgesellschaft auf Gahmurets Tod zum Ausdruck kommt, hat mit dieser Eventualität auch niemand gerechnet.

Wolfram von Eschenbach bezieht sowohl ein spezifisches Wissen als auch mit dem Edelstein verbundene Praktiken auf komplexe Weise in den Text ein.

Das zunächst ausgebreitete Narrativ von dem überdimensionierten Diamanten, der zwar in der geformten Gestalt eines Helmes auftritt, aber dennoch als unbezwingbar gilt, wird im Verlauf der Handlung von einem weiteren Narrativ, der Bocksblutlegende, wieder eingeholt. 

Wigalois: Übertragbare Eigenschaften des Diamanten

Während in Wolframs von Eschenbach Parzival Gahmuret – gewissermaßen als Held der Vorgeschichte – mit dem staunenerregenden Diamanthelm ausgezeichnet wird, ist im Wigalois des Wirnt von Grafenberg, einem späteren Artusroman, ein Teufelsbündner im Besitz eines solchen Helmes:

er hêt nâch sînem willen
einen helm herter danne ein glas,
der ouch des selben stâles was
ûz der innern Indîâ,
als diu glävîe die er dâ
in dem wurme stecken lie.
umb den helm ein lîste gie
Von golde zweier vinger breit;
ob was dar in geleit
mit gesmelze ein adamas;
von golde drûf gemeistert was
ein tracke als er lebte
und ob dem helme swebte. 

(Wigalois, V. 7379–7391) Wirnt von Grafenberg: Wigalois, Text der Ausgabe von J. M. N. Kapteyn, hrsg. u. übers. v. Sabine Seelbach u. Ulrich Seelbach, 2., überarb. Aufl., Berlin/New York 2014. 

Er besaß einen Helm nach seinen Vorstellungen, härter als Glas, der aus dem gleichen Stahl aus der Mitte Indiens gefertigt war wie die Lanze, die Wigalois im Körper des Drachen stecken ließ. Um den Helm herum war eine zwei Finger breite Leiste aus Gold angebracht; oben befand sich, in das Schmelzwerk eingelassen, ein Diamant, über dem ein kunstvoll gefertigter goldener Drache angebracht war und als ob er lebte über dem Helm schwebte.

Der Helm des Teufelsbündners Roaz besteht im Unterschied zu dem von Gahmuret nicht komplett aus Diamant, sondern ist lediglich mit einem solchen verziert. Dennoch verweist Wirnt hier auf eine besondere Härte des Materials und stellt einen intratextuellen Bezug zu der Lanze her, mit der Wigalois bereits den Drachen besiegt hatte. Diese Lanze galt als einziges Objekt, mit dem der Drache erschlagen werden konnte, und teilt die Eigenschaft der unbezwingbaren Härte mit dem Diamanten:

dâ stecket ein glävie vor,
die brâhte mir ein engel her;
niht ist daz dâ vor gewer,
horn, stein noch îsengwant,
man steche dâ durch unz an die hant.
(Wigalois, V. 4748–4752) 

Davor [vor dem Burgtor] steckt eine Lanze, die mir ein Engel herbrachte. Nichts bleibt vor ihr verschont, weder Horn, Stein noch eiserne Rüstungen, sodass man bis auf die Hand hindurch sticht. 

Das Material der Lanze stammt, wie der Diamant und der Stahl von Roaz’ Helm auch, aus Indien. Auffällig ist, dass hier explizit auf die Fähigkeit abgehoben wird, auch härtestes Material wie Eisen durchdringen zu können. Näher spezifiziert wird die Konstitution des Materials von Roaz’ Helm jedoch nicht. Ob der Diamant eine besondere Form aufweist oder ob es sich um einen Rohdiamanten handelt, bleibt ebenso offen. 

Der Diamant ist jedoch nicht vollkommen unbearbeitet, denn er ist in das Schmelzwerk des Helmes eingelassen und damit fest mit diesem verbunden. Der über dem Edelstein kunstvoll angebrachte, schwebende Drache verweist auf das Schutztier von Roaz, das Wigalois bereits mit der schon erwähnten Lanze bezwungen hat. (vgl. Wigalois, V. 4836–5140).

Der hochgradig ästhetisierte Helm stellt damit ein Signum von Roaz dar, in das der Diamant in materieller wie semiotischer Hinsicht eingebunden ist. Doch auch umgekehrt wird eine Verbindung zwischen Diamant und Held hergestellt: Nach der Auffassung aus dem Liber lapidum von Marbod de Rennes wird dem Diamanten die Funktion zugeschrieben, seinen Träger grundsätzlich unbesiegbar zu machen. Vgl. Marbode of Rennes: De Lapidibus, übers. v. C. W. King, hg. v. John M. Riddle, Wiesbaden 1977, S. 34f.Und das sogar ungeachtet dessen, ob der Stein Teil der Rüstung ist oder nicht. Allein das Mittragen des Diamanten scheint zu genügen, um den Schutz des Steines zu erlangen. Vgl. dazu auch Ohly: Diamant und Bocksblut, S. 43. Die Eigenschaft der Unbezwingbarkeit des Diamanten soll sich demnach direkt auf seinen Träger übertragen und macht ihn unverwundbar. Vgl. ebd. 

Der Wigalois entfaltet damit nicht die konkrete Schutzfunktion des Diamanten durch dessen Härte als Rüstungsteil, sondern überträgt die Diamanteigenschaft auf dessen Besitzer. 

Während der Diamant im vorangegangenen Beispiel die Funktion innehatte, den Helden der Erzählung zu schützen, stellt Wirnt von Grafenberg gerade den Teufelsbündner unter den Schutz des Diamanten. Angesichts der erwähnten Assoziierungen des Diamantsteins mit Christus, wie sie u. a. auch aus dem Physiologus bekannt sind, ist das eine frappierende Umdeutung. Vgl. Physiologus, Kap. 42: „Der Diamant ist unser Herr Jesus Christus, wenn du ihn, o Mensch, in deinem Herzen hältst, dann wird dir nie etwas Böses widerfahren.“ Und das insbesondere auch aus dem Grund, als der Physiologus das Tragen des Diamanten ausdrücklich als Schutz vor dem Teufel empfiehlt. Vgl. ebd.: „Wenn er [der Diamantstein] sich aber in einem Haus befindet, kommt dort kein böser Geist hinein, noch findet man irgendein Übel, und der Mensch, der ihn besitzt, bleibt Sieger über jede Einwirkung des Teufels.“

Der entscheidende Kampf zwischen Wigalois und Roaz dauert die ganze Nacht an. Schließlich besiegt Wigalois seinen Gegner. Der finale tödliche Schlag erfolgt allerdings nicht auf den mit Diamant verzierten Helm, sondern trifft Roaz an der Brust (vgl. Wigalois, V. 7660). 

Wirnt von Grafenberg nutzt die Eigenschaften des Diamanten nicht, um den Helden zu unterstützen, sondern gestaltet damit den Anschein eines unbezwingbaren Gegners. Da die Erzählung in Anlehnung an das aus verschiedenen antiken Texten tradierte Wissen, die Eigenschaften des Diamanten semiotisch zu den Eigenschaften des Teufelsbündners macht, hat Wigalois nicht nur Roaz bezwungen, sondern auch den eigentlich unbezwingbaren Diamanten. Mit dem Sieg über den Gegner, der den Teufel und den Diamanten auf seiner Seite hat, wird das Können Wigalois’ noch einmal in besonderer Weise unterstrichen. 

Diamant als epistemisches Material

Die kleine Materialschau verschiedener Textstellen, die sich mit dem Diamanten beschäftigen, verdeutlicht, wie unterschiedlich nicht nur von, sondern auch mit ihm erzählt wird. Die Haupteigenschaft seiner unbezwingbaren Härte, die schon in den verschiedenen enzyklopädischen Texten der Antike immer wieder betont und auch funktionalisiert wurde, wird in den höfischen Romanen des Mittelalters integriert und zum Anlass genommen, um einerseits Verwunderung auszulösen.

Neben einer Bewunderung der ästhetischen Konstitution des Materials, das sich im höfischen Roman auch als dekoratives Element niederschlägt, hebeln die Texte das tradierte Wissen um die Eigenschaften des Materials andererseits regelmäßig aus.

Der Diamant und seine auf vielerlei Wegen tradierten Eigenschaften bieten damit verschiedene Möglichkeiten, bestimmte Erzählungen auszubilden. Während an einigen Stellen schon die oktaedrische Ausgangsform des Diamanten bestaunt wird, ermöglichen die literarischen Texte, das Material in Form zu bringen. Das besonders Staunenswerte hängt an dieser Stelle mit dem Wissen zusammen, dass der Diamant eigentlich nicht bearbeitet werden kann. In Verbindung mit der erzählten Bearbeitbarkeit des Diamanten zieht auch ein Wissen um die mit ihm verbundenen Praktiken des Erhärtens oder Erweichens in die höfischen Romane mit ein. 

Im 20. Jahrhundert ist der Diamant nicht nur mit verschiedenen Praktiken schleifbar, sondern kann auch synthetisch hergestellt werden. Vgl. Haas, Hödl und Schneider: Faszination Diamant, S. 209f.  Wertgeschätzt wird er insbesondere aufgrund seiner Kostbarkeit. In James Bond 007 – Diamantenfieber lösen die Diamanten aus diesem Grund eine wilde Verfolgungsjagd um die ganze Welt aus. Auch im Mittelalter provoziert der Diamant den Wunsch, ihn zu besitzen, gestaunt wird in den Erzählungen jedoch vor allem darüber, dass hier in Form gebracht werden kann, was zeitgenössisch noch nicht formbar ist.

Carolin Pape ist germanistische Mediävistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich Episteme in Bewegung.

Dieser Beitrag erscheint in der Serie Wunder und Wissen.